Anfang September war das Thema Wolf wieder auf der Brüsseler Agenda. Der politische Druck steigt. Die zunehmenden Konflikte zwischen Weidetierhaltern und dem Wolf schlagen in der EU massiv auf. Alle Staaten haben die Entnahmemöglichkeiten bestmöglich ausgereizt, nur Deutschland hinkt massiv hinterher und setzt die FFH-Richtlinie nicht vollständig um.
So gab es bis zum 22.9.2023 die Aufforderung der Kommission, aktuelle Daten über Wolfspopulationen an die EU-Kommission zu senden. Anhand dieser Daten wird nun über einen möglichen Weg entschieden, den Status des Wolfes als „besonders schützenswerte Art und damit nicht bejagbar“ vom dazugehörigen Status IV in Status V zu ändern und ihn damit über ein Bestandsmanagement zu regulieren (Quelle).
Das Thema Wolf betrifft die Islandpferdehalter- und züchter durch die Robusthaltung in ganz besonderer Weise. Der IPZV e.V. hat daher am 2. August dieses Jahres ein Treffen mit Bernhard Feßler, dem Leiter des FN Hauptstadtbüros und Wolfsbeauftragten der FN, auf dem Kronshof in Ellringen organisiert. Bernhard Feßler vertritt die Interessen der FN im vorpolitischen Bereich auf Bundesebene und unterstützt die Landes- und Anschlussverbände bei ihrer politischen Arbeit. Als Anschlussverband der FN verritt Feßler somit auch die Interessen des IPZV e.V. und seiner Mitglieder. An dem Treffen nahmen u.a. Peter Nagel (Präsident IPZV), Corinna Langer (Ressortleistung IPZV Breitensport), Viktoria Große (IPZV Wolfsbeauftragte), Christiane Rippel (IPZV Wolfsbeauftragte) und Familie Schenzel teil.
Zu Beginn präsentierten Frauke und Stefan Schenzel den Anwesenden ihren Musterbetrieb Kronshof und informierten über die unterschiedlichen Haltungsformen im Islandpferdebereich. Hier wurde deutlich gemacht, wie wichtig es für (Island)pferde ist, in einem Herdenverband, draußen auf der Weide gehalten zu werden. Beispielhaft wurde hierzu die beeindruckende große Hengstweide gezeigt, auf der die Jungpferde pferdegerecht aufwachsen können. Dass die Pferde als Fluchttiere sehr aufmerksam auf ihre Umwelt reagieren, ist allen Pferdeleuten hinlänglich bekannt. Stefan Schenzel berichtete aus täglicher Erfahrung, dass sie in ihren Herden verändertes Verhalten beobachten konnten, wenn diese z.B. Hunde auf der Weide bemerken. So gruppieren sich die Pferde dann zu einer großen Rotte zusammen. Bei Herdengrößen von um die 100 Tieren - wie auf dem Kronshof üblich - bietet dies einen gewissen natürlichen Schutz, auch gegen aufkommende Wölfe. Diesen warnenden Schutzmechanismus haben Züchter mit nur zwei bis drei Zuchtstuten nicht. Diese Tiere sind im Übergriffsfall mehr oder weniger ihrem Schicksal ausgesetzt, wenn sie den Wolf nicht vertreiben können.
Beim anschließenden Presse- und Verbandstalk berichtete Bernhard Feßler über den derzeitigen Status quo in Deutschland. Grundsätzlich gilt: Der Wolf ist gem. Art 16 FFH-RL, Anhang II und IV nicht bejagbar (EU weit). Gleichwohl kann – abgleitet aus dem Absatz 1e – entnommen werden. Deutschland hat diesen Part nicht ratifiziert, die anderen EU-Länder, insb. die später hinzugekommenen wie etwa das Baltikum, haben diese Entnahmen in ihrer EU-Aufnahme entsprechend verhandelt.
Deutschland sieht zum Schutz der Weidetiere, zusammengefasst, drei Maßnahmen vor:
Diese Entnahme sollte durch einen Praxisleitfaden geregelt werden. Dieser jedoch ist so umständlich und praxisfern formuliert, dass Entnahmen quasi unmöglich gemacht werden. Zudem lässt er rechtliche Lücken offen, so dass NGO mit Verbandsklagen nicht selten bereits ausgesprochene Entnahmen verwirken können. Erschwerend kommt hinzu, dass oftmals auch keine Jäger für den Abschuss gefunden werden, da diese nicht selten mit dem Leben bedroht werden. Zudem ist der Wolf nicht im Bundesjagdrecht verankert, was der Rechtssicherheit des Jägers abträglich ist.
Von der Problematik der Drohungen durch Dritte berichten auch beide IPZV Wolfsbeauftragte. Wolfsrisse werden aus Angst vor Anfeindungen teilweise nicht angezeigt. Dies sei aber sehr wichtig, um tatsächliche Zahlen zu Wolfsrissen zu haben.
Gegen die Verzäunung der Landschaft spricht, dass Herdenschutzzäune den Wildwechsel nicht mehr zulassen und Tiere jämmerlich in den Zäunen verenden. Auch steht die geforderte untere Litze in Höhe von 20 cm im Widerspruch zu den Leitlinien der Pferdehaltung des BMEL. Hinzu kommen Auflagen von z.B. Bauämtern, die den Bau eines wolfsabweisenden Zaunes mit 2 m Höhe und Untergrabungen nicht genehmigen. Hier ist eine bessere Zusammenarbeit der einzelnen Ämter wünschenswert.
Bernhard Feßler bekundet aus seiner Erfahrung, dass Wölfe nur im Zoo ausbruchsicher gehalten werden können - oder man verwandelt die Naturräume in eine Art Jurassic Park.
Deutschland sei, so Feßler, eine Kulturlandschaft und kein Reservat. Der Wolf sei zudem ein sogenannter „Kulturfolger“ und kein Raubtier in freier Wildbahn. Wölfe passen sich sehr schnell an, sind intelligent und jagdfaul; sie reißen das, was ihnen einfach und nah scheint, nämlich das eingezäunte Weidevieh. Sie treiben die Herden auseinander und reißen dann das schwächste Tier. Herdenschutzhunde sind auch keine generelle Lösung; sie können eine Gefahr für andere Tiere und Menschen darstellen. Ein Einsatz dieser Hunde in einer Pferdeherde, die regelmäßig von wechselnden Personen aufgesucht wird, ist daher ungeeignet. Zudem sind Herdenschutzhunde in den Touristenregionen inzwischen mehrfach auffällig geworden und werden nicht mehr eingesetzt.
Bernhard Feßlers Ziel ist es, zusammen mit den Weidetierhalterverbänden, die Bundesregierung – insbesondere das BMUV – weiter politisch zu treiben, die im Koalitionsvertrag verankerte Regulierungsmöglichkeit endlich umzusetzen. Wir brauchen, so Feßler, ein regional differenziertes Bestandsmanagement. Dies würde den Bundesländern die Möglichkeit bieten, auf die regional unterschiedliche Verteilung der Wölfe besser reagieren zu können und schneller (auffällige) Wölfe und auch ganze Rudel zu entnehmen, statt die Diskussionen auf die lange Bank zu schieben und immer mehr Leid, Sorgen und Unsicherheit zuzulassen.
Pferde gelten in der öffentlichen und auch politischen Wahrnehmung eher dem Luxussegment an. Feßler empfahl daher abschließend allen Anwesenden, nicht allein, sondern mit anderen Weidetierhaltern und deren Interessensverbänden gemeinsam auf das Thema Wolf und Weidetiere mit Druck und medialer Wirkung aufmerksam zu machen und sich gegenseitig zu unterstützen. Nur so kann mehr Gehör für die Belange aller Weidetierhalter in der Öffentlichkeit geschaffen werden, ehe die Stimmung ganz kippt.
Um die Islandpferde in besonders guter Erinnerung zu behalten, hatte Bernhard Feßler zum Abschluss des Treffens bei einem Ausritt mit Frauke Schenzel und Viktoria Große das Vergnügen, die vierte Gangart des Islandpferdes, den Tölt, kennenzulernen. Er meinte voller Freude am Schluss, dass er das erste, aber keinesfalls das letzte Mal auf einem Islandpferd gewesen sei.
Wir bedanken uns bei Bernhard Feßler, dass er mit uns über dieses Thema gesprochen hat und offen war, sich über die „besondere“ Haltung der Islandpferde zu informieren. So konnte der IPZV seinen Standpunkt, Islandpferde ohne Bedenken auch in Zukunft weiter auf der Weide zu halten, noch einmal verdeutlichen.
Auch bedanken wir uns bei Frauke und Stefan Schenzel, die trotz WM-Vorbereitung ihren Hof zur Verfügung gestellt und sich die Zeit genommen haben, über ihre Situation als Islandpferdehalter und -züchter zu berichten. Ebenfalls bedanken wir uns bei Viktoria Große und Christiane Rippl, die seit mehreren Jahren aktiv die Interessen der Islandpferde in Sachen Wolf vertreten.
Weitere Infos und Interviews mit Bernhard Feßler, Stefan Schenzel und Viktoria Große findet ihr in unsererem Story-Highlight bei Instagram. Wenn ihr Fragen zu dem Thema habt, könnt ihr euch an Viktoria Große (+49 176 32007774) oder Christiane Rippl (+49 157 35226358) wenden.